Jun 24, 2025

AK Nr. 33 - Das Rauschen der Bäume

Einer der Vorteile von Kapitalmärkten ist, dass sich Investoren per Knopfdruck weltweit an den besten Unternehmen der Welt beteiligen können. Doch mit der grossen Auswahl kommt auch die Qual der Wahl. Wo macht es Sinn, sich zu beteiligen, und wo lieber nicht?

Einer der Vorteile von Kapitalmärkten ist, dass sich Investoren per Knopfdruck weltweit an den besten Unternehmen der Welt beteiligen können. Doch mit der grossen Auswahl kommt auch die Qual der Wahl. Wo macht es Sinn, sich zu beteiligen, und wo lieber nicht? Als weitere Herausforderung erweist es sich, dass sekündlich ein Update zum aktuellen Kurs verfügbar ist. Die Versuchung, zu handeln, ist gross. Dabei sollten Aktienengagements wie eine Ehe eingegangen werden und weniger wie Speed Dating. Eine sorgfältige Auswahl vor dem Entscheid macht Sinn. So kommt uns der tägliche Blick mancher Investoren auf die Aktienkurse vor, wie den Bäumen beim Wachsen zuzusehen, um bei jedem Rauschen der Bäume aufzuschrecken und die Solidität zu hinterfragen. Das Schöne an Bäumen – vorausgesetzt, sie bekommen genügend Licht und Wasser – ist, dass sie sich stetig weiterentwickeln und wachsen. Mal mehr, mal weniger, wie es dann auch die Jahresringe widerspiegeln. So stehen Bäume für uns sinnbildlich für Ruhe und Kraft. Für zu sprunghafte Ansätze gilt das Sprichwort: Hin und Her macht Taschen leer.

Natürlich werden auch wir regelmässig nach unserer Meinung zur aktuellen Marktlage gefragt. Der transaktionsorientierte Anleger ist dabei stets auf der Suche nach unfehlbaren Tipps für schnellen Reichtum. Wir haben gelernt, dass diese Tipps eher zu hohen Verlusten führen, als den gewünschten Reichtum bescheren. Daher denken wir vielmehr in Grundsätzen und entwickeln unser eigenes Weltbild, welches wir unseren Anlageentscheiden zugrunde legen.

Die langfristigen Trends sind dabei klar:
1. Das weltweite Bevölkerungswachstum geht die nächsten Jahrzehnte weiter.
2. Der Wohlstand der Weltbevölkerung nimmt zu.
3. Der technologische Fortschritt geht weiter und treibt die Produktivität von Unternehmen an

Dies spricht in der langen Frist klar für Aktien.

1. Die Welt wächst weiter…
Entwicklung weltweites Bevölkerungswachstum, in Mio.

Quelle: Prio Partners, UN

2. Steigender Wohlstand
Entwicklung Welt-BIP pro Kopf, in USD, zu aktuellen Preisen

Quelle: Prio Partners, IWF

3. Technologischer Fortschritt erhöht Produktivität von Unternehmen
BIP pro geleistete Arbeitsstunde, in USD, 2015 = 100

Quelle: Prio Partners, OECD

Balance halten

Da das Auf und Ab an den Märkten durchaus heftig ausfallen kann (2001-2003, 2008/2009, 2020, 2022), präferieren viele Anleger einen ausbalancierten Ansatz. Dabei wird die Attraktivität der verfügbaren Asset-Klassen verglichen und im Rahmen der Portfoliokonstruktion zu einem sich ergänzenden Portfolio zusammengefügt. Auch die Frage, wieviel Risiko ein Investor eingehen möchte, spielt dabei eine wichtige Rolle. Die gute Nachricht für Anleger, die einen balancierten Ansatz bevorzugen, ist, dass das heutige Marktumfeld für eine solche Strategie wieder mehr Chancen bietet. Neben der Rendite von Aktien werfen mittlerweile auch Anleihen und Cash einen Zins ab.

In der Zeit der Negativzinsen, die (ähnlich wie Corona) gar nicht lange her ist, aber schnell in Vergessenheit geraten ist, wurden die mahnenden Stimmen immer lauter, je länger die Zentralbanken die Zinsen ins künstliche Koma versetzt hatten. Sparer wurden durch die Hintertür enteignet und Spekulation wurde durch billiges Geld sozusagen staatlich gefördert. Insbesondere wurde auch davor gewarnt, dass es schwierig sein würde, die Zinsen jemals wieder anzuheben (Stichwort Japanification). Nun sind die Zinsen aufgrund des immensen Inflationsdrucks innert kurzer Zeit stark gestiegen. Unserer Meinung nach wurden die Zinsen zu lange viel zu niedrig gehalten und nun viel zu schnell zu stark angehoben. Zumindest sehen wir den Aktivismus der Zentralbanken kritisch und es sieht danach aus, dass man sich von den Entwicklungen treiben lässt.

Nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank infolge der (zu) schnell gestiegenen Zinsen ist es für unseren Geschmack zu ruhig geworden. Wir meinen, dass viele Investoren mit hohem Verschuldungsgrad vor Herausforderungen stehen. Sei es im Bereich Venture Capital, bei (Gewerbe-)Immobilien oder im Bereich Private Equity. Hier sind bisher keine wesentlichen Dominosteine gefallen. Wir wünschen uns dies auch nicht, wären aber auch nicht allzu überrascht. Je nach Höhe des Verschuldungsgrads können die stark gestiegenen Zinsen durch den Leverage (also das Verhältnis von Eigenkapital zu aufgenommenem Fremdkapital) erhebliche negative Auswirkungen haben. Schnell rechnen sich Projekte nicht mehr und die Finanzierung schwindet. Das erhöhte Zinsumfeld und die beschriebenen Auswirkungen lassen sich auch an den Märkten ablesen. So haben sowohl die zustande gekommenen Deals im Bereich Private Equity als auch die Immobilienverkäufe stark abgenommen. Es kommt zu weniger Abschlüssen, da Verkäufer zu den Preisen von gestern verkaufen und Käufer zu den Preisen von morgen kaufen möchten.

Korrektur im Leveraged-Business
Globale Private-Equity Deals (Anzahl und Volumen)

Quelle: Prio Partners, Bloobmerg

Weiter beobachten wir, dass die schon länger angekündigte Rezession bisher nicht eingetroffen ist. Neueste Negativmeldungen von Unternehmen (Milliardenabschreibung bei Siemens Energy, Auftragsrückgänge bei VAT) lassen nun aber aufhorchen. Ein Signal für eine sich eintrübende Stimmung ist der Einkaufsmanagerindex, der mittlerweile eine Rezession voraussagt.

Wirtschaftlicher Stimmungsindikator
Einkaufsmanager Index (USA), 31.03.2000 bis 31.05.2023

Quelle: Prio Partners, Bloomberg

Oftmals ist der Einkaufmanagerindex aber auch ein Kontraindikator. Tiefpunkte waren in der Vergangenheit immer auch Kaufgelegenheiten.

Der Fünfer und s Weggli

Zusammenfassend sehen wir aktuell Chancen für ausbalancierte Multi-Asset, Multi-Strategie-Ansätze. Wir empfehlen, vom hohen Zinsniveau zu profitieren und Obligationen mit langen Laufzeiten in die Portfolien aufzunehmen. Bei hohen Zinsen trennt sich zudem bei Unternehmen die Spreu vom Weizen. Daher empfehlen wir auf der Aktienseite, von Experimenten Abstand zu halten, und bevorzugen grosse, gut kapitalisierte Unternehmen mit starker Marktposition.

Dr. Patrick Cettier

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