Jun 24, 2025

AK Nr. 38 - Herbststimmung

Mit grossen Schritten nähern wir uns dem Jahresende. Einladungen zu Jahresausblicken für 2025 flattern ins Haus wie Blätter von den Bäumen und die kürzer werdenden Tage verlocken zu gemütlichen Fondue-Abenden.

Mit grossen Schritten nähern wir uns dem Jahresende. Einladungen zu Jahresausblicken für 2025 flattern ins Haus wie Blätter von den Bäumen und die kürzer werdenden Tage verlocken zu gemütlichen Fondue-Abenden.

Gefühlt befindet sich die Welt im Chaos – und doch geht es voran. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Prognose für das Weltwirtschaftswachstum für 2024 auf 3.2% angehoben. Auch für 2025 wird ein weltweites Wirtschaftswachstum von über 3% erwartet. Was nicht nach viel klingt, ist in absoluten Zahlen beeindruckend: Bei einer Weltwirtschaftsleistung von USD 105'000 Mrd.[1] entsprechen 3% einem absoluten Zuwachs von rund 3'000 Mrd.! Dies ist mehr als das 4-Fache der Wirtschaftsleistung der Schweiz.

Das positive Momentum der Weltwirtschaft wird durch vielfältige Ereignisse und Akteure gestört. In der Schweiz wird durch fragwürdige Initiativen ständig an einem an sich gut funktionierenden Gesamtgefüge gerüttelt. Die 13. AHV Rente oder die drohende Abstimmung zur Erbschaftssteuer sind nur zwei Beispiele. Schlimmer wiegt die mutwillige Zerstörung der industriellen Basis durch die Ampelkoalition in Deutschland. Gerade hat die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose für 2024 deutlich nach unten korrigiert und rechnet nun mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um -0.2%.[2] Eine «besondere» Leistung in einer wachsenden Welt. Auch der Verschuldungsgrad der USA treibt Wirtschaftsexperten um. Die USA zahlen für die astronomisch hohen Schulden USD 3 Mrd. Zinsen pro Tag oder USD 1'100 Mrd. pro Jahr.[3] Und nicht zuletzt hört man aus dem Reich der Mitte nicht viel Gutes. Bei allem Erfolg Chinas der letzten Jahrzehnte wird das Land noch immer von einer kommunistischen Diktatur regiert. Wer glaubt, dass staatliche Akteure auf Dauer einer freien Marktwirtschaft überlegen sind, der irrt. Das Modell Chinas, mit billigen Arbeitskräften und niedrigen Qualitäts- und Umweltstandards die Welt mit Produkten zu überfluten, neigt sich dem Ende zu.

Auch wenn der Herbst zu Melancholie verleitet, ist der Rückblick auf die im Jahr 2024 erzielte Ernte durchaus erfreulich. Die nachfolgende Graphik zeigt die Renditen seit Jahresanfang bis Ende des dritten Quartals in US-Dollar auf.

Die Ernte im Jahr 2024

Globale Marktrenditen 01.01.2024 - 30.09.2024, in USD

Quelle: Prio Partners, Bloomberg

Die beste Renditeentwicklung der grossen Assetklassen wies in diesem Jahr mit +28% Gold auf. Als klassischer Inflations-Hedge und Absicherung für den Fall der Fälle hat Gold nochmals an Relevanz gewonnen. Auffällig ist auch, dass Zentralbanken im Jahr 2024 mit 483 Tonnen (oder 23.6% der jährlichen Fördermenge)[4] in grossem Stil Goldkäufer sind. Man darf sich fragen: Warum?

Die globalen Aktienmärkte entwickelten sich mit durchschnittlich +17% ebenfalls gut. Schaut man unter die Oberfläche, so ergibt sich ein interessantes Bild: Wurden die Märkte in der ersten Jahreshälfte noch mehrheitlich von den Technologiesektoren getrieben, haben in der zweiten Jahreshälfte andere Sektoren die Marktführung übernommen. Die Sektoren Versorger, Basiskonsum, Materialien sowie Immobilien holten dramatisch auf, die Sektoren Finanzen, Gesundheit und Industrie blieben ebenfalls in der Gunst der Anleger. Wir hatten diese Rotation in unserem letzten Anlagekommentar «Nr. 37 – Spagat» angedeutet. Insgesamt ergibt sich ein breit abgestützter Aufwärtstrend, der durchaus bis zum Jahresende anhalten kann.

Renditestreuung auf Ebene der Sektoren

Rendite MSCI World Sektoren 1. & 2. Halbjahr, in USD, %

Quelle: Prio Partners, Bloomberg

Ein Sektor, welchem in den letzten zwanzig Jahren wenig Aufmerksamkeit zu Teil wurde, hat sich im zweiten Halbjahr besonders gut entwickelt: Der Versorgersektor. Doch woher weht der frische Wind?

Das Rennen um die Dominanz im Bereich der künstlichen Intelligenz führt dazu, dass Rechenzentren wie Pilze aus dem Boden schiessen. Der Energieverbrauch ist dabei immens. Eine Anfrage bei Chat GPT verbraucht rund 10-mal so viel Energie wie eine Google Suchanfrage. Der Energieverbrauch von Rechenzentren wird nach einer Studie von Goldman Sachs dabei bis 2030 um +160% ansteigen.[5]

Globale Energienachfrage von Datenzentren

Mit und ohne künstliche Intelligenz, in TWh

Quelle: Prio Partners, Goldman Sachs Research

Gleichzeitig schliessen die grossen Technologiekonzerne Direktverträge mit Energieversorgern ab, um ihren enormen Energiebedarf abzusichern. Microsoft investiert USD 10 Mrd. in erneuerbare Energien, um seine Datenzentren zukünftig direkt mit Energie zu versorgen. Alphabet und Amazon haben ähnliche Verträge abgeschlossen. Unternehmen wie Vistra Corp. oder Constellation Energy Corp. profitieren.

Befeuert wird diese positive Entwicklung von den Aktivitäten der Zentralbanken. Nachdem die Zinsen in den letzten Jahren stark angehoben wurden, schwingt das Zentralbank-Zins-Pendel um. Allein die zehn grössten Zentralbanken der Welt haben dieses Jahr schon 15 Zinssenkungen durchgeführt.[6] Wir erwarten bis Jahresende weitere Schritte.

Die Lockerheit der Zentralbanken kehrt zurück

Ø Leitzins der zehn wichtigsten Zentralbanken

Quelle: Prio Partners, Bloomberg

In der Kommunikation der Zentralbanken werden sinkende Inflationsraten als Hauptargument für Zinssenkungen vorgebracht. Auch eine vorsorgliche Zinswende bei guter Wirtschaftslage ist Teil der strategischen Überlegungen. Als Extremfall kann das Handeln der chinesischen Zentralbank angesehen werden: Am 24. September kündigte die chinesische Zentralregierung ein umfassendes Konjunkturpaket an, um das Wirtschaftswachstum und insbesondere den Immobilienmarkt anzukurbeln. Insgesamt fliessen dem Finanzsystem USD 200 Mrd. an Liquidität zu.[7] Der chinesische Aktienindex CSI 300 legte daraufhin innerhalb von zwei Wochen rund +30% zu. Ob diese geldpolitische Lockerung jedoch einen längerfristigen Effekt haben wird, ist offen.

Der Blick voraus

Das offensichtliche nächste Grossereignis sind die US-Präsidentschaftswahlen vom 5. November 2024 und die damit verbundene Frage, ob der Ausgang einen wesentlichen Einfluss auf unsere Anlagepolitik haben wird. Es spricht einiges dafür, dass eine Trump Regierung eine wirtschaftsfreundlichere Politik verfolgen wird und die Aktienmärkte zumindest kurzfristig beflügeln könnte. Längerfristig ist die Entwicklung der Aktienmärkte jedoch weniger abhängig von der regierenden Partei, als man denkt.

US-Präsidenten und der Aktienmarkt

Entwicklung S&P 500, 1926 - 2024, in USD

Quelle: Prio Partners, Dimensional Research

So war die Aktienmarktperformance über die letzten 100 Jahre bei demokratischen Präsidenten in 62% der Monate positiv, bei republikanischen Präsidenten in 63% der Monate.

Wir stellen auch Überlegungen für Extremereignisse an, deren Wahrscheinlichkeit schwer abzuschätzen ist. Die Anzahl Übertretungen des taiwanischen Luftraums durch die chinesische Luftwaffe steigt seit Jahren bedenklich. Und wer die chinesische Kultur kennt, weiss, dass das öffentliche Bekenntnis von Präsident Xi in Bezug auf die Wiedervereinigung mit Taiwan grosse Bedeutung hat. Auch wenn ein solcher Krieg aus unserer Sicht völlig verrückt wäre, wissen wir aus dem Überfall Russlands auf die Ukraine, dass dies autokratische Regimes nicht von diesem Schritt abhält.

60% des weltweiten Umsatzes mit Halbleitern kommt aus Taiwan[8]

Nach Schätzung von Studien würden sich die Kosten eines solchen Konflikts auf bis zu 10% des globalen Wirtschaftswachstums belaufen. Zum Vergleich: Die COVID-Pandemie verursachte Kosten von 5% des globalen Wirtschaftswachstums. Es ist völlig klar, dass eine Eskalation zu enormen Verwerfungen am Kapitalmarkt führen würde. Aus unserer Sicht ist Gold eine Möglichkeit einer gewissen Absicherung. Darüber hinaus empfehlen wir die Reduzierung des direkten Engagements in der Region.

Fazit

Gefühlt befindet sich die Welt im Chaos und doch geht es voran. Klar ist, dass der Markt auf Sektorenebene breiter abgestützt wird und eine ausgewogene Sektorallokation daher sinnvoll ist. Zudem stützen sinkende Zinsen derzeit alle Assetklassen. Im Hinblick auf die US-Wahlen sehen wir eine mögliche Trump-Regierung mit kurzfristig positiverem Einfluss auf die Aktienmärkte. In unserer strategischen Asset Allokation bevorzugen wir weiterhin Aktien, positionieren uns im Sektormix jedoch defensiver. Wir kaufen selektiv Unternehmensanleihen hoher Bonität. Gold halten wir weiterhin als Ultima Ratio, nicht zuletzt auch, um einen gewissen Schutz vor Extremereignissen vorzuhalten.

Dr. Patrick Cettier

[1] Weltbank Datenreihe BIP 2023

[2] ifo Konjunkturprognose 2024

[3] treasury.gov

[4] World Gold Council, Halbjahresbericht 2024

[5] Masanet et al. (2020), Cisco, IEA, Goldman Sachs Research

[6] Leitzinspublikationen globaler Zentralbanken

[7] Reuters «China launches stimulus push to meet 2024 growth target»

[8] Bloomberg Economics, «Xi, Biden and the $10 Trillion Cost of War Over Taiwan»

AK Nr. 38 - Herbststimmung

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